*Ṭalāq: Wörtl. Scheidung. Der Islam betrachtet die Ehe als wichtigen Faktor im Gesellschaftsleben, der nicht nur die Ehepartner und ihre nächsten Angehörigen, sondern das gesamte soziale Gefüge beeinflusst. Wenn alle Möglichkeiten, einen Ehezwist zu schlichten, erwogen und erschöpft worden sind, dann besteht die letzte Möglichkeit darin, den Ehevertrag aufzulösen und die Scheidung einzureichen. Voraussetzung ist, dass eine der Parteien, Mann oder Frau, die Ehegemeinschaft unter keinen Umständen weiterführen will. Die Ehescheidung ist also erlaubt – auf Verlangen des Mannes oder der Frau –, aber sie wird als unerwünscht betrachtet. Deshalb empfiehlt der Islam bei den ersten Anzeichen eines Ehezerwürfnisses der Versöhnung dienende Maßnahmen (4:129). Erweisen sie sich als fruchtlos, dann wird ein Schiedsgericht eingesetzt, das aus Vertretern der beiden Parteien besteht (4:36). Erst wenn auch das Schiedsgericht den Streit nicht zu schlichten vermag, kann die Scheidung eingeleitet werden. Will sich zum Beispiel der Ehemann scheiden lassen, dann hat er zweimal eine Scheidungserklärung abzugeben. Die erste Erklärung darf nicht während der monatlichen Periode seiner Frau erfolgen. Außerdem ist sie nur gültig, wenn in der Zeit zwischen dem Ende der Periode und der Erklärung kein Verkehr stattgefunden hat. Nach dieser ersten, vorläufigen Scheidungserklärung beginnt eine Wartefrist von einem Monat, um dem Ehepaar Gelegenheit zur Versöhnung zu geben. Beharrt der Ehemann nun weiterhin auf der Scheidung, dann muss er einen Monat nach der ersten eine zweite Scheidungserklärung abgeben, die, falls sie nicht zurückgezogen wird, drei Monate nach der ersten Erklärung rechtskräftig wird und die unwiderrufliche Scheidung herbeiführt. Diese Erklärungen erfolgen unter Zeugen. Der Mann darf nichts vom Vermögen der Frau zurückbehalten; auch die bei der Eheschließung vereinbarte Morgengabe muss der Frau ausgehändigt werden, falls das nicht schon geschehen ist. Erfolgt die Scheidung auf Begehren der Frau, ohne dass den Ehemann ein Verschulden trifft – worüber das Gericht entscheidet –, dann hat sie auf die Morgengabe zu verzichten. Auch diese Bestimmung soll einen voreiligen und unüberlegten Schritt verhindern. Um einer leichtfertigen Scheidungspraxis vorzubeugen, ist eine besondere Bestimmung geschaffen worden, die die Wiederverheiratung geschiedener Eheleute erschweren soll. Geschiedene Eheleute können sich nur dann wiederverheiraten, wenn die Frau unterdessen von ihrem zweiten Mann geschieden worden ist (Vgl. auch 65:2-8). Diese Vorschriften, die wir hier nur im Wesentlichen wiedergegeben haben, bildeten vor ca. 1400 Jahren eine revolutionäre Neuerung, denn zu jener Zeit besaßen Frauen kaum Rechte. Sie können heute ohne weiteres in ein Staatsgesetz umgewandelt und näher beschrieben werden.